74 km Vulkantrail 2022 - Schotten

Naturpark Vogelsberg - Hoherodskopf

Am 07.05.2022 fand der 7. Vulkantrail in Schotten statt. Da ich noch einen längeren Vorbereitungslauf für den Ultralauf auf den Lofoten brauchte passte dieser ganz gut, weil er mit knapp zwei Stunden Fahrzeit auch ohne Übernachtung zu machen war. Mit etwas über 2100 Höhenmetern und einer Gesamtstrecke über 74 km stimmte für mich auch das Höhenprofil. Die 100 km Strecke war mir zu lang. Es sollte ja ein Trainingslauf sein.

Trotzdem stellte mich dieser Lauf dann doch vor andere Herausforderungen, aber dazu später mehr.

Samstag hiess es dann ziemlich früh um 4:00 Uhr aufstehen. Geplant hatte ich gegen 5:00 Uhr loszufahren - mit entsprechendem Zeitpuffer, den ich immer brauche :)

Frühstücken ☑️ Duschen ☑️ Ausrüstungscheck ☑️ und dann ging es auch schon los auf die Autobahn.

Um diese Uhrzeit am Samstag ist auf den Strassen noch nicht viel los und ich kam recht schnell und gut durch und war trotz kurzem Zwischenstopp für einen Cappuccino, mit entspanntem Zeitfenster schneller als geplant da.

Schotten ist ein kleines Städtchen im Naturpark Vogelsberg. Entsprechend gemütlich und überschaubar ging es auch hier zu. Die Teilnehmerliste zeigte, dass nur 18 Läufer*innen auf dieser Strecke starten würden. Auch die 100 km Läufer*innen waren nur ein paar Läufer.

Die Registrierung und Startnummerabholung ging auch super schnell und ich hatte genug Zeit zum Umziehen.

Um 8:00 Uhr ging es dann los.

Wie erwartet gleich stetig bergauf. Die ersten Kilometer brauche ich oft um in mein Laufen zu finden und ich bin ziemlich mit mir selbst beschäftigt. Ich höre in mich rein, achte auf ein nicht zu schnelles Losrennen und lasse den Fokus bei mir.

Nach einer gefühlten sehr kurzen Zeit, zeigte meine Garmin an, dass schon mehr als 4 Kilometer gelaufen waren und die verbleibende Strecke waren nur noch 69 km. Nach einem kurzen 2. Blick auf die Uhr merkte ich, dass etwas nicht stimmte.

Die verbleibende Strecke wurde plötzlich wieder mehr… 70 km, 70,2 km, 70,3 km…

Zusätzlich zeigte die Uhr "abweichende Strecke” an.

Irritiert blieb ich erst einmal stehen. Da nur wenige Teilnehmer*innen am Start waren, hatte sich das Feld relativ schnell auseinandergezogen. Hinter mir konnte ich einen Läufer näher kommen sehen. Ich lief die Strecke etwas zurück, um zu schauen, ob ich eine Markierung übersehen hatte, konnte aber nichts finden. Als der Läufer hinter mir aufgeschlossen hatte, fragte ich kurz ob er wüsste, dass es hier weiter geht. Er nickte und lief weiter. Es war ein breiter Forstweg mitten im Wald, der geradeaus ging. Links und rechts absolut nichts zu erkennen, dass ein Weg oder ein Pfad abgehen würde. Also lief auch ich weiter und beruhigte mich erst einmal, dass das GPS manchmal nicht durchgehend Empfang hat und dann etwas braucht um den neuen Standort zu finden.

Als ich dann links, dem Weg folgend, abbog und die Streckenmarkierung entdeckte, dachte ich mir nichts weiter und auch meine Uhr zeigte inzwischen wieder an, dass ich auf der richtigen Strecke unterwegs war. Doch beim nächsten Blick auf die Uhr kam der Schock. Die noch zu laufende Strecke zeigte plötzlich ca. 10 km weniger an. Das machte alles überhaupt keinen Sinn. Ich war definitiv auf der richtigen Strecke. Nirgends war eine Abzweigung oder Ähnliches gewesen. Vor mir lief ein weiterer Läufer. Ich konnte es mir einfach nicht erklären. Ich hatte noch kurz den Gedanken, dass vielleicht mit der Uhr etwas nicht stimmt…und trotzdem blieb ein ungutes Bauchgefühl, dass etwas nicht in Ordnung ist.

Als ich dann an der ersten Strassenüberquerung von einer freundlichen Frau, die die Strecke absicherte, als erste Frau begrüsst wurde, wusste ich endgültig, dass ich irgendwo falsch gewesen sein musste und ich überquerte die Strasse und stoppte.

Von einem auf den anderen Moment war plötzlich die Luft raus, die Motivation im Keller und als hätte man mir den Stecker gezogen, kein Antrieb mehr. Tausend Gedanken schossen mir durch den Kopf von:

“Shit, was machst du hier?” über “DNF (Did not finish) wollte ich eigentlich nicht oder wenn, dann anders.” über “Das war’s! Du wirst disqualifiziert!”

Unfassbare Enttäuschung, Wut auf mich selbst, Traurigkeit und Frustration prasselten im Sekundentakt auf mich ein.

Aber dann, nach kurzem Durchatmen, besann ich mich zum Glück darauf, warum ich an diesem Lauf an den Start gegangen bin. Es war der Vorbereitungslauf zu meinem 166 km Lauf auf den Lofoten. DAS war der Grund hier zu sein. Nichts anderes und nichts anderes war wichtig.

Also riss ich mich zusammen. Brüllte (ja, das braucht mein innerer Schweinehund manchmal, wenn nettes Zureden nichts hilft) mich selbst innerlich an “Mach’ weiter!” und lief los.

Aber mental blieb es durchweg den ganzen Lauf ein ständiges Auf und Ab. Auch wenn es “nur” ein Vorbereitungslauf ist, will man einen guten Lauf machen. Dazu kam, dass ich absolut keine Ahnung hatte, was mich im Ziel erwarten würde. Als erste Frau unterwegs zu sein und zu wissen, dass es nicht stimmt, hinterließ mehr als nur ein unangenehmes Bauchgefühl in mir.

Ich versuchte mich mental immer wieder abzulenken, was zwischendurch auch immer wieder gut gelang. Vor allem dadurch, dass die Strecke die eine oder andere Überraschung bereit hielt.

An einem Punkt hatte ich mich gerade aus dem Wald gequält und stand plötzlich vor dichtem Geäst und fragte mich ob ich auf einem Trailrun oder doch eher einem Hindernislauf oder einem Survival Camp gelandet war.

Der nächste Versorgungspunkt lag auf dem Hoherodskopf.

Der Aufstieg war über einen breiten Wiesenhang. Anstrengend, aber doch gut zu bewältigen. Hier wurde ich super freundlich empfangen, man machte mir Mut und ich wusste, dass Aufhören - einfach so - keine Option für mich war.

Der Weg führte weiter durch den Wald über weitere Holztrümmerfelder, schöne Wald- und Forstwege und inzwischen wurde es auch wärmer.

Was mir mental sehr half, weil ich bei wärmeren Temperaturen so richtig aufblühe.

Trotzdem hatte ich zwischendurch immer wieder grosse mentale Tiefs. Vor allem dann, wenn der Trail neben einer befahrenen Strasse verlief und ich so gar keinen Spass an der ganzen Sache finden konnte. Immer und immer wieder musste ich mir sehr deutlich machen, dass es hier um mein Training geht und diese Vorbereitung wichtig ist und ich sie brauche.

Je mehr die Zeit verstrich, desto mehr fand ich mich in meinem monotonen Tunnel. Kilometer abspulen - Schritt für Schritt. Einfach weiterlaufen und zu Ende bringen.

Nach langen 9 Stunden kam ich dann endlich im Ziel an.

Gefühlt länger als mein 100 km Wüstenlauf :)

Die Raceleitung holte mich dann auch ein paar Minuten nach dem Zieleinlauf zu sich und fragte nach meinen gelaufenen Kilometern auf der Uhr. Man wusste nach meiner Schilderung auch sofort um welchen Streckenpunkt es sich handelte. Ich erfuhr, dass ich nicht die einzige Läufer*in war, die an diesem bestimmten Punkt falsch gewesen ist. Insgesamt waren drei von achtzehn (eine relativ hohe Quote) betroffen. An diesem Punkt lagen die Streckenabschnitte sehr eng beieinander. 100 km und 74 km hatten die gleiche Markierung. Meine Uhr hatte wohl einen kurzen Moment erkannt, dass ich nicht richtig war, da ich aber kurze Zeit später wieder auf der richtigen Strecke war (allerdings mit dem Bogen am Nidda-Stausee vorbei weniger), zeigte mir die Uhr dann wieder die korrekte Strecke, aber eben mit weniger Kilometern an. Wirklich ärgerlich - aber nicht zu ändern.

Richtig erleichtert war ich dann, als die Raceleitung mir mitteilte, dass ich nur eine Strafzeit bekomme und nicht komplett aus der Wertung genommen werde.

Also hatte sich das Durchhalten in vielerlei Hinsicht doch gelohnt :)

Das Wichtigste aber, was ich von diesem Lauf mitnehme ist, dass ich niemals aus den Augen verlieren darf WARUM ich mich auf den Weg gemacht habe. Es gibt immer einen übergeordneten Grund und genau in diesen tiefen und dunklen Momenten, gibt mir das die Motivation und Energie nicht aufzuhören und stehenzubleiben bis das Ziel erreicht ist.

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